Potsdam.
Wie es wurde, was es ist.

Johannes Lepsius (1858–1926)

Ein Herz für die Armenier - Dem Genozid auf der Spur

Das Schicksal der Armenier während des Ersten Weltkrieges erregt noch heute die Gemüter. War ihre Vertreibung während der osmanischen Herrschaft Völkermord oder nicht? Die Antwort auf diese Frage ist politisch hochaktuell und hat Auswirkungen auf das Verhältnis zur heutigen Türkei. Der Mann, der Potsdam zu einem Ort dieser Auseinandersetzungen gemacht hat, heißt Johannes Lepsius. Er bewohnte von 1907 bis 1925 eine Villa am Südhang des Pfingstberges. Dort bewirtschaftete ab 1772 ein Kammerdiener Friedrichs II. einen Weinberg. Fast einhundert Jahre später kaufte ein Berliner Bankier das Haus und ließ es im Stil einer italienischen Villa umgestalten. Kurz danach kam es in den Besitz der Hohenzollern. So ist zu verstehen, dass die Villa heute zum Bestand der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten gehört. Zwischendurch war die Villa ein Teil des sowjetischen Militärstädtchens Nr. 7 und befand sich nach dem Abzug der Besatzer 1994 in einem trostlosen Zustand. Der Förderverein „Lepsiushaus Potsdam“ konnte das Haus mit Mitteln aus verschiedenen Fördertöpfen vor dem Verfall bewahren. Das Gebäude ist jetzt denkmalgerecht saniert und beherbergt das Johannes-Lepsius-Archiv und einen Gedenkraum.

Johannes Lepsius war Sohn des Begründers der Ägyptologie in Deutschland. Bereits als junger Mann knüpfte er bei Aufenthalten im Orient Kontakte zu Armeniern, die als Christen Pogromen ausgesetzt waren. In deutschen Zeitungen wies er auf Verbrechen hin, wozu 1895 der Feuertod tausender Armenier in der Kathedrale von Urfa gehörte. Die Schriften von Lepsius wurden in die wichtigen Sprachen Europas übersetzt und erzeugten allgemeine Entrüstung. Während des Ersten Weltkrieges erreichte die Verfolgung der Armenier eine neue Stufe. Sie wurden von überallher in die Wüsten Mesopotamiens getrieben, wo sie durch Hunger, Durst und Erschöpfung umkamen. Lepsius dokumentierte diesen Völkermord in seinem „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ aus dem Jahr 1916, der umgehend von der deutschen Zensur verboten wurde. Die politischen Parteien in Deutschland ignorierten Lepsius‘ Anklagen. Er musste wegen drohender strafrechtlicher Verfolgung seine Aktivitäten im benachbarten Ausland fortsetzen. Eines der wichtigsten Werke von Lepsius ist seine 1919 veröffentlichte Publikation „Deutschland und Armenien 1914–1918: Sammlung diplomatischer Aktenstücke“, auch bekannt als Lepsiusdokumente, die später zum wichtigsten Schriftstück zum Völkermord an den Armeniern werden sollten.

Heute veranstaltet das Lepsiushaus das „Lepsius-Forum“ in Form von Vorträgen, Seminaren und Konferenzen über neuere Forschungsergebnisse „über die armenische Frage in der Türkei seit dem 19. Jahrhundert“. Nach wie vor bemüht sich die Botschaft der Türkei, das Gedenken an Johannes Lepsius zu verhindern.